Rede von Bürgermeister Christoph Landscheidt anlässlich der Gedenkstunde zum
Volkstrauertag am 15.11.2015
Meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie sehr herzlich im Namen des Ortverbandes Kamp-Lintfort des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
In guter Tradition denken wir am heutigen Tage an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Aber der heutige Trauertag – 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – ist ein ganz besonderer, ein besonders trauriger, ein besonders tragischer Tag.
Es ist keine 48 Stunden her, dass bei furchtbaren, entsetzlichen Terroranschlägen zahlreiche unschuldige Menschen bei unseren französischen Freunden und Nachbarn getötet und grausam verletzt worden sind.
Fassungslos erstarren wir vor den Bildern dieser barbarischen Gewalt.
Unsere Gedanken sind in diesen Stunden bei den hunderten Opfern und ihren Hinterbliebenen, die von einer auf die andere Minute durch die Taten einiger weniger für immer auseinandergerissen oder schwer verletzt wurden.
Trost, das wissen wir, kann es in diesen Momenten des Schocks und der Trauer kaum geben.
Und so sehr es auch schmerzt und so sehr wir geneigt sind, uns von der grausamen Fratze des Terrors lieber abzuwenden, müssen wir uns auch in dieser schweren Stunde zwingen, nach den Tätern zu fragen.
Allein hier liegt der Schlüssel zur Vermeidung von Terror und Gewalt in der Zukunft.
Was sind das für Menschen, die solche Blutbäder anrichten, die sich selbst in die Luft sprengen und offenbar glauben, etwas „Richtiges“ zu tun.
Wer hat sie dazu gebracht, was haben sie erlebt?
Wer hat diese unglaubliche, menschenverachtende Gewalt gesät, und welchen Anteil haben wir, welchen Anteil hat die westliche Nah-Ost- und Afrika-Politik aktuell und der vergangenen Jahrzehnte an dieser Entwicklung?
Ja, und wir müssen auch in aller Offenheit hinterfragen, was diese unmenschliche Gewalt mit dem Glauben dieser Terroristen , was dies mit dem Islam zu tun hat – schon im Interesse des Zusammenlebens mit Millionen von friedlichen Muslimen in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt.
Dies gilt um so mehr, als ein großer Teil der Flüchtlinge, die wir in diesen Monaten in Deutschland und in Europa aufnehmen, aus eben jenen Ländern kommt, vor eben jenem Terror flieht und selbst oft muslimischen Glaubens ist.
Angst und Ab- oder Ausgrenzung sind die schlechtesten Ratgeber, und Zäune sind keine Lösung! –
Die Lösung ist eigentlich viel einfacher:
Menschen, die eine Chance haben auf ein kleines Lebensglück, hier auf Erden,
• Frieden,
• ein Dach über dem Kopf für ihre Familien
• zu essen,
• Schule und Bildung für ihre Kinder ,
sei es in ihrer Heimat oder im Exil, haben keinen Grund, sich als Selbstmordattentäter ins vermeintliche Paradies zu bomben.
Dazu kann die Politik, dazu können wir alle, jeder einzelne von uns, heute und morgen einen Beitrag leisten!
Meine Damen und Herren,
die schrecklichen Ereignisse von Paris erweisen einmal me
hr, dass der Volkstrauertag sich nicht in der Rückschau und in der Tradition erschöpfen darf.
Er ist ein sehr aktueller Gedenktag, den wir brauchen. Er schützt vor dem Vergessen und vor dem Verdrängen.
Er mahnt uns, aus den Schreckensbildern der Vergangenheit – sei es vor 70 Jahren oder sei es vor nicht einmal 48 Stunden -die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Schauen Sie auf die Grabsteine der hier ruhenden Soldaten. Schauen Sie auf die Geburts- und Todesdaten.
Wie viele Hoffnungen und Erwartungen junger Menschen ruhen hier?
Die Besucherinnen und Besucher des Rockkonzerts am Freitag in der Konzerthalle Bataclan waren wahrscheinlich noch jünger.
Allesamt Leben, die kaum eine Chance hatten, gelebt zu werden.
Der Volkstrauertag hat eine sehr aktuelle Botschaft:
Gegen Krieg und Gewalt – für Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit – das ist seine Losung.
Am Volkstrauertag bekennen wir uns zum Wert des Lebens.